Frequently Asked Questions
In unserem Blogeintrag 55 vom 1. Mai hatten wir unsere Leser ermuntert, Fragen zu stellen.
Hier einige der eingegangenen Fragen:
1) Verändert sich mit der Zeit das Gehen?
Insgesamt läuft man mit der Zeit leichter, da weniger Fett am Körper, auch den Beinen, dafür mehr Muskeln. Ist man den Berg anfangs noch hochgekrochen, geht dies mittlerweile schneller - mit weniger Anstrengung. Man traut sich von der Kilometerleistung mehr zu. Waren anfangs 20 km viel, so sind dies nun 40 km. Allerdings empfinden wir heftige Anstiege über viele Kilometer mit unseren Rucksäcken oft noch als pure Schinderei. Der PCT ist wirklich sehr harte Arbeit!
2) Verändert sich das Schreiben? Werdet ihr genauer, ausführlicher? Fällt es euch leichter? Habt ihr manchmal keine Lust dazu?
Das hat sich entwickelt. Man muss erst rausfinden, wie, wann und warum man das macht. Wir sind wohl mit der Zeit eher ausführlicher geworden, da wir gemerkt haben, dass der Blog nicht nur für unsere Leser gedacht ist, sondern für uns eine Art Tagebuch darstellt. Die Details können uns später, z.B. bei der Fertigstellung des Films, sehr hilfreich bei der Erinnerung sein. Allerdings hat man nicht immer Lust aufs Schreiben und Tippen, vor allem nicht zu später Stunde - dann ist man zu geschafft. Außerdem ist das Schreiben auf dem Smartphone recht anstrengend und nervig. Übrigens schreiben wir nur, wenn wir Empfang haben, da unsere App nur online funktioniert. Es sollten nur nicht zu viele Tage dazwischen liegen damit man nichts vergisst und auch unsere Leser noch zeitnah "mitreisen" können.
3) Was macht ihr, um aus einem Tief rauszukommen, um euch zu motivieren? Oder war das bisher nicht nötig?
Drüber reden, analysieren und relativieren. Es heißt hier auf dem PCT: "Never quit on a bad day".
Das Leben on Trail ist meist am Limit, Durchhaltevermögen ist gefragt. Aufhören ist immer ein Thema, aber das gehört wohl ganz normal dazu. Wir haben zwar keinen deutschen Alltag mehr, dafür aber einen anderen bekommen und der läuft so ab: Zelt abbauen, zusammenpacken, loslaufen, laufen, laufen, Zelt aufbauen, schlafen. Dazwischen essen. Natürlich auch viele tolle Begegnungen, Gespräche und Drehs.
4) Gibt es beim Wandern einen Sabbat-Rhythmus: Sechs Tage wandern, dann braucht der Körper einen Ruhetag?
Der Rhythmus richtet sich nach den Resupply-Stationen, die hier in Süd-Kalifornien meist 6-8 Tage auseinander liegen. Danach eher seltener. In diesen Orten stellt sich dann die Frage nach einem Nero- oder Zeroday. Kommt man an, übernachtet und zieht am nächsten Tag weiter, nennt man das einen Neroday. Bleibt man eine weitere Nacht, ist das ein Zeroday - der mehr Erholung verspricht. Da aber an solchen Tagen viel zu erledigen ist, hält sich diese allerdings in Grenzen. Ansonsten bestimmt das Wetter über weitere Zerodays.
(Fragen gestellt von Annette Bauer, Ludwigsburg)
5) Ihr wirkt immer wie "eins", tickt ihr so gleich, haltet ihr es immer gut miteinander aus?
Auch wenn man bereits 23 Jahre miteinander verheiratet ist, funktioniert das Zusammenleben auf dem Trail anders als der Alltag in Deutschland. Hier ist man 24/7 zusammen, man kann sich nicht mal eben zurückziehen. Das kleine Zelt ist unser Zuhause. Alle zu treffenden Entscheidungen betreffen beide und müssen von beiden im Einklang getroffen werden. Die Wichtigsten: Wann läuft man und wie viel, bzw. wie schnell. Wir haben Glück, dass wir vom Lauftempo her ähnlich funktionieren. Unterschiedlich ticken wir in der Frage der Logistik: ab wann wir laufen und bis wann wir laufen. Sabine startet am Morgen lieber etwas später, läuft dafür am Abend gerne länger. Bei mir ist es genau andersrum. Das Thema hat bei uns schon für manche Diskussion gesorgt. Aber durch die Auseinandersetzung findet man auch Lösungen. Wir laufen z.B inzwischen immer Mal wieder getrennt, um dann später wieder zusammenzukommen. So machen es übrigens viele ...
6) Wie sieht's mit Motivationsproblemen aus? Gibt's das? Möchte einer von euch Mal hinschmeißen?
Der Trail muss, trotz des zeitlichen Drucks, Spaß machen. Man muss daher immer versuchen, einen Ausgleich zu schaffen, wenn die Balance in Schräglage gerät. Nach anstrengenden Tagen mal weniger am nächsten Tag laufen. Wenn's sehr schlechtes Wetter hat, Zelt mal stehenlassen. Vielleicht auch mal einen extra Zeroday nehmen. Grad jetzt ist es etwas schwierig, da die Temperaturen in Kalifornien für die Jahreszeit viel zu kalt sind. Soll einer der kältesten Mai-Monate überhaupt sein! "Das Jahr, in dem der Februar nicht aufhörte" oder "Snowboarden in der Mojave-Wüste" sind nur zwei Sprüche, die wir immer wieder gehört haben. Und dabei sind wir noch nicht einmal in der Sierra!
7) Eure Füße sehen jungfräulich unversehrt aus - habt ihr keine Blasen oder Druckstellen?
Zum Glück haben wir hier keinerlei Probleme - im Gegensatz zu vielen anderen.
8) Lebt ihr in einer "eigenen Welt" - eins mit der Natur und weitab von der Zivilisation mit ihren Alltagsproblemen?
Ja, absolut. Es war erstaunlich festzustellen, dass wir bereits nach einigen wenigen Tagen unseren Alltag komplett ausgeblendet hatten. Er hat hier einfach nicht mehr interessiert - obwohl es uns in Deutschland sehr gut geht und wir tolle Menschen um uns rum und Arbeit haben. Die tollen Menschen tragen wir natürlich in unseren Herzen mit, aber alles andere ist weg. Bislang nicht das Bedürfnis gehabt, auch nur einmal online Nachrichten zu lesen. Keine Ahnung was in Deutschland, bzw. Europa, aber auch in den USA los ist, keinen Schimmer, was aus dem Brexit geworden ist. Ist hier weit, weit weg! Ausnahmen sind natürlich die Resupply-Orte, die wir besuchen und wo wir für 1-2 Tage in die Konsumwelt zurückgeworfen werden. Betrifft aber in der Regel nur das Kulinarische.
Trotzdem von der Familiy von Notre Dame und dem Brand gehört. Das hat uns sehr betroffen gemacht. Mit einem Engländer mal übern Brexit gesprochen und dass er persönlich ihn besch ... findet.
9) Wenn man so auf sich selbst zurückgeworfen ist, was denkt ihr, was macht das mit einem?
Das ist eine Frage, um die es in unserem Film gehen wird. Wir fragen das auch immer wieder vor allem die Hiker, denen wir öfter begegnen. Zu uns selbst: Wir sind zwar schon eine Weile unterwegs, aber irgendwie noch am Anfang. Warten wir's ab ...
10) Würdet ihr auch alleine laufen?
Dies ist eine universelle Frage. Beide Möglichkeiten haben ihre großen Vor- und Nachteile. Wer gerne alleine und weniger kommunikativ ist, für den ist vielleicht ein Solo ideal. Olli kann sich gut vorstellen einen Thruhike alleine zu gehen. Sabine eher weniger 😁
(Fragen gestellt von Geli Lach, Marbach)
11) Könnt ihr Mal was zu eurem Zelt erzählen: mich würde interessieren, wie ihr in dem Duplex klarkommt, denn das ist ja schon sehr schmal für zwei Leute. Viele Hiker nutzen das Duplex gerne alleine, während Paare oft das Triplex wählen. Reicht euch das Duplex in der Breite? Und wie kommt ihr bei starkem Wind in dem Zelt klar?
Insgesamt sind wir mit dem Zelt sehr zufrieden, da es unschlagbar leicht ist (darf man ja auch von einem Zelt, das in Deutschland knapp 1.000 € kostet erwarten). Aber natürlich - das erkauft man sich dadurch, indem man einige Kompromisse eingeht. Wir stimmen dem zu, dass das Duplex das perfekte Zelt für eine Person und einen Rucksack ist. Olli lässt, wenn's irgendwie geht, seinen Rucksack mit meist übergezogenem Regenschutz draußen, damit er mehr Platz zum Liegen hat. Die Vestibüls sind für die Rucksäcke etwas zu klein. Sabine nimmt ihren öfter mit ins Zelt und legt die Füße darauf, vor allem, wenn der Platz nicht ganz eben ist. Der Vorteil beim kleineren Duplex ist, dass man bei der etwas kleineren Standfläche mehr Plätze fürs Zelt findet, da das Triplex etwas breiter ist. Würden wir allerdings nochmal kaufen müssen, würde das Triplex auf jeden Fall eine Option sein. Vor allem für Gebiete, in denen es oft regnen kann. Inwiefern das Duplex starkem Wind standhält, können wir noch nicht sagen, da wir bislang den stärksten Wind mit dem "alten" Schweizer Zelt "Exped" hatten, das sich gut bewährte. Da bleiben wir selber auch sehr gespannt und werden die Info später entsprechend nachtragen.
(Fragen gestellt von Stefan Febert)
12) Putzt ihr euch die Zähne (täglich) und wo spuckt ihr die Zahnpasta aus?
Wir putzen uns jeden morgen nach dem Frühstück die Zähne, meist noch zusätzlich mit Zahnseide. Abends schaffen wir das oft nicht mehr, wobei Sabine es öfter auch noch abends hinbekommt. Gespült wird mit dem Trinkwasser, das wir mithaben, natürlich sehr sparsam, wenn Wasserquellen knapp sind, und Platz zum Spucken gibt es in der Natur natürlich genügend ;-) Etwas Wasser drüber und Erde mit dem Schuh drauf scharren und fertig. Wir haben keine farbige oder mit Mikroplastik versetzte Zahnpasta. In den Resupply-Orten sind's dann immer zweimal täglich.
13) Wie sieht euer Zeltplatz / Cowboycampingplatz aus, wenn ihr aufbrecht?
Auf den ersten Blick wohl ziemlich chaotisch. Um die Rucksäcke zu packen, müssen diese komplett geleert werden, da Matten und Schlafsäcke ganz nach unten kommen (die Ultralightrucksäcke haben keine separaten Bodenfächer). So wird alles, was wir mithaben auf dem Boden ausgebreitet. Das Packen folgt immer genauestens einem ausgetüfftelten System, damit am Ende alles reingeht und man trotzdem weiß, wo was ist und schnell dran kommt.
14) Wessen Idee war es, den PCT zu laufen und wie ist die Idee entstanden?
Wanderungen von 2-3 Wochen haben wir schon immer gemacht. Dass es überhaupt einen Trail gibt, der über 4.000 km lang ist, haben wir erst nach dem Kinofilm "Wild" erfahren. Nachdem wir dann etwas später auch noch den Film "Picknick mit Bären" (über den Appalachian Trail) gesehen haben, erzählte Olli Sabine von seinem Traum, sowas auch Mal machen zu wollen. Das konnte sich dann Sabine sofort auch vorstellen, zumal sie nicht zuletzt wegen der Lebensgeschichte von Cheryl Strayed, im Film fantastisch dargestellt von Reese Witherspoon, und ihrem Band zur Mutter, im Film sehr glaubwürdig verkörpert durch Laura Dern, ein Fan des Films ist. U.a. der geschickte, ja kunstvolle Einsatz von Rückblenden (eher selten) verwoben mit den prägenden und reinigenden Erlebnissen beim Hiken, die Musik interpretiert von Simon and Garfunkel (vor allem "El condor pasa", der Condor ist der Nationalvogel von Kalifornien) bringt für sie auf den Punkt, worum es geht/gehen könnte 😄.
15) Wieso regnet es so oft, wenn in Kalifornien Dürre herrscht?
2019 ist ein absolutes Ausnahmejahr, was das Wetter in Kalifornien betrifft: zu kalt, zu viel Regen, extrem viel Schnee in der Sierra. Eine Antwort darauf hat vielleicht Klimakenner Mister Trump.
16) Ich lese immer wieder, dass Hiker wegen ihrer physischen Verfassung aufgeben müssen. Wie ist eure physische und vielleicht auch psychische Verfassung?
In der Tat ist die Quote derer, die den PCT abbrechen, hoch. Aus physischen und aus psychischen Gründen. Das Thema "Aufgeben" ist zwar nicht absolut vorhanden, dennoch setzen wir uns stets mit allen Möglichkeiten auseinander. Die Freiheit macht das hier auch möglich. Hitze, Kälte, Schnee, alpine Schwierigkeiten machen uns nichts aus. Das kann man alles händeln und sich drauf einstellen
Die Moskitos in Oregon haben uns aber an den Rande unserer Nerven gebracht. Die Frage ist immer, wo ist die Grenze? Wo hört der Spass auf? Das Thema gehört zum PCT, die Wanderung ist kein Zuckerschlecken, sondern streckenweise extrem. Nur, wer sich mit dem Aufhören beschäftigt, weiß, warum er weitermacht.
(Fragen gestellt von Philipp Willmann, Australien)
17) Ergeben sich bei euren zahlreichen spannenden Kontakten mit internationalen Mitwanderern wie auch Eingeborenen auch politische Diskussionen? Wenn ja, welche Themen sind spannend/relevant?
Politik und Religion sind "inoffiziell" tabu und unter internationalen Hikern eher eine Ausnahme. Unter uns Deutschen wird allerdings viel diskutiert - es sind die Themen, die auch zu Hause relevant sind: Bildung, soziales Verhalten, Unterschiede zwischen den USA und Deutschland u.v.m.
Allerdings haben wir bei Ron und Carol in Tehatchapi, die uns spontan bei sich übernachten und am ihren Computer ließen, eine Ausnahme erlebt und auch am Fish Lake. Ron hat unterschiedliche aktuelle politische Themen angesprochen und wir haben auch über die Hitlerzeit gesprochen. Schwager Gary war auf einem Platoon in Vietnam. Ron und Carol, Gary und Frau Pat sind aber weder Hiker noch Trailangels ... Ron hat sich am nächsten Morgen beim Frühstück entschuldigt, so viel Politik angesprochen zu haben, wir konnten ihn dahingehend beruhigen, dass wir das toll und den Austausch gut fanden. Hikerin und Ex-Soldatin Jackie und Hiker und Ex-Soldat Sugarsliderl liefensupported von der Association "Walk Off War", um Irak-Erlebnisse zu verarbeiten. Ein Engländer wollte mit uns im Jacinto-Gebirge mal übern Brexit sprechen, s.o.
Sabine hat sich mit der Kroatin "Old men voted" (Trailnamen hat sie durch eine Begebenheit in einem Frühstückscafe in Agua Dulce bekommen, da sechs ältere Männer fanden, dass ihr Beine die schönsten unter den Anwesenden seien) über den Konflikt und Krieg auf dem Balkan ausgetauscht. Leroy, der Partner von Kelly, die wir am Fish Lake kennen lernten, wollte wissen, was wir über Amerika denken. Das "Tabu" ist also relativ.
(Frage gestellt von Iris Geigle, Stuttgart)