2.-4. Juli, Tag 94-96
PCT: 3220 km, gelaufen: 1505 km
Im Restaurant vom Elk Lake Resort haben wir nach dem Duschen Kyle kennengelernt. Sarah und Jess waren inzwischen nach Bend getrampt.
Kyle hat uns an der Bar angesprochen und ein Bier ausgegeben. Wir PCT-Hiker wirken auf manche wie eine Mischung aus Aliens und Outlaws und werden trotzdem immer mit viel Bewunderung und Respekt angesprochen. So auch von Kyle. Der musste allerdings mit dem bestellten Essen zu seiner Familie zurück, die einen Platz auf dem Campingplatz gebucht hatten und mit einem VW-Bus unterwegs waren. Er lud uns ein, auf dem Rückweg zum Trail noch kurz vorbeizuschauen, sie würden ein Lagerfeuer machen. Dort noch seine Frau Allison und ihre 8-jahre alte Tochter Reily (2. Klasse) kennengelernt. Haben sich sehr gefreut, dass wir trotz später Stunde noch gekommen sind. Wir durften einen Blick in den vorzüglich ausgestatteten VW-Bus werfen, auch bei uns ein beliebter Camper, und Reily winkte uns vom oberen ausfahrbaren Bett zu.
Sind weit nach 21 Uhr vom Elk Lake zurück auf den Trail gelaufen (ca. 3 km) und haben dann nach wenigen weiteren Kilometern aufm PCT im Wald unser Zelt aufgeschlagen.
Am 2. Juli ging's dann bergauf: Der Trail führte über 50 km an der Bergkette der Three Sisters vorbei, die noch in tiefem Schnee schlummerten, majestätisch gekrönt von sich langsam bewegenden Wolkenschwaden, die, wenn man im richtigen Moment schaute, immer Mal wieder einen Blick auf die 'blanken" Sisters freigaben. Zwei Tage haben wir dafür eingerechnet, in der Hoffnung, dass der Schnee nicht zu heftig ist und es genügend Footprints gibt, die uns den Weg hindurch zeigen. Erwähnen muss man noch, dass die Masse des Schnees nicht von der Höhe abhängig ist. Vielmehr ist es die Lage der Wand zur Sonne und die Dichte der Bewachsung. Es kann daher sein, dass man in 1800m Höhe auf tiefen, vollflächigen Schnee trifft, während es oben auf dem Grad ziemlich frei von Schnee ist. Mittags durch ein unglaublich weites Tal gelaufen, mit Blick auf die "untere Schwester" (South Sister). Als einzelner Mensch in dieser einsamen Natur zu laufen war unglaublich erhaben und gehört zu den schönsten Momenten, die wir hatten. Aber es kam noch mehr, viel mehr!
Jedenfalls hatte der Schnee uns ab Nachmittag voll im Griff. Die Landschaft um die Three Sisters war atemberaubend und sah im Schnee grandios aus. Da fiel uns das Laufen gar nicht mehr schwer (allerdings öfter mit microspikes). Kurz vor Sonnenuntergang fanden wir von Bäumen beschützt und Schnee umgeben einen geeigneten Platz fürs Zelt. Die Temperatur lag bei 4 Grad, die anderen Nächte der vergangenen Wochen waren nur geringfügig wärmer.
Am 3. Juli ging's dann um die mittlere und obere Sister herum. Nach einer Stunde eine kurze Pause gemacht und uns umgezogen. Obwohl sich die Sonne nur sporadisch zeigte, war es Olli in langen Hosen zu warm. Mit kurzer ging es weiter, zumal es an dem Tag tatsächlich keine Moskitos gab, die die Beine als Angriffspunkt nutzen konnten. Wenig später trafen zwei weitere Hiker ein, wussten gar nicht, dass uns "Nachfolger" so dicht auf den Fersen waren! Gleich ein Interview mit Kolohe und Skipper (beide über 60) gemacht, wo natürlich auch die Frage nach der persönlichen Bedeutung des bevorstehenden Independence Day vorkam. Wenig später zwei weitere Hiker, Salty Dog (über 60) und Chad (27). Auch interviewt. Es entstand so spontan eine lockere Laufgemeinschaft und wir konnten die wirklich großartige Landschaft miteinander teilen! Das Gehen durch den Schnee wurde auf Dauer zwar mühsam, aber wir kamen gut durch.
Ein überraschendes Wiedersehen gab es mit Moneymaker! Er kam uns mit einem älteren Mithiker an einer Junction, die mitten im Schnee lag, southbound entgegen. So standen 8 HikerInnen im Kreis und tauschten sich darüber aus, was in beiden Richtungen an Schnee zu erwarten war. Der immerhungrige Chad schmierte sich eine unglaubliche Tortilla mit Mayonaisse, Senf und Thunfisch und bedauerte, den Käse vergessen zu haben. Und das ihm, der er aus Wisconsin stamme, dem "Staat des Käses". Wir konnten ihm aus unserem Paket aushelfen 😋. Von Moneymaker erfuhren wir, dass er von Manzama Village, wo wir ihn zuletzt mit Bacon getroffen hatten (sie waren am schwierigen Devils Peak umgekehrt und über den Snow Lake Sitetrail nach Manzama Village gekommen) nach Cascades Rocks geflippt war, weil dort laut Satellitenbild weniger Schnee sein sollte, was nicht stimmte, der Satellit kann wohl Schnee unter Bäumen nicht sehen, um dann southbound bis Manzama Village zu laufen und diesen Streckenabschnitt zu schließen. Bacon war aber tatsächlich ausgestiegen, wie sie schon in Manzama Village angedeutet hatte ...
Toll war, dass der Weg zum höchsten Punkt schneefrei war! Es bot sich dort eine tolle Sicht auf das vor uns liegende Oregon (Sh. Bild). Danach nahm dann mit dem Abstieg der Schnee langsam ab und wir konnten die letzten 10 km bis zur Highway 242 recht flüssig laufen. Wir mussten uns dann nach und nach von Salty Dog und Chad und Kalohe und Skipper verabschieden, da die ihr Nachlager weit vor dem Highway aufschlagen wollten. Wir erreichten diesen gegen 19 Uhr, nachdem wir die letzten 2 km durch Lavafelder gehen mussten - sehr anstrengend für die Füsse! Spitze, schroffe Lavasteine. Unser Ziel war es, am nächsten Tag bis zu Highway 20 zu kommen da es von dort einfacher sein würde, einen Hitch-Hike nach Bend zu bekommen. Das waren 28 km. Sind daher in der Abendsonne noch weitere 5 km durch kollosale Lavafelder gegangen, damit wir am nächsten Tag nicht ganz so viel zu gegen hatten. Wollten auch nicht das von unserer deutschen Freundin Silvia Falkenmayer für uns gebuchte Zimmer in Bend aufs Spiel setzen und dort am Abend des 4. Juli das Feuerwerk zum Independence Day genießen! Am Ende der Lavafelder fanden wir dann unser Nachtlager mit Blick auf die "Three Sisters".
Am 4. Juli waren dann noch 23 km zu gehen. Anfangs durch Lavageröll, später dann durch abgebrannte Wälder. Unglaublich schön waren die Unmengen an Beargrass mit weißen Blütendolden, ein richtiges "Meer" davon umgab uns, und der Kontrast zu den schwarzen "Baumleichen". Mittagsstopp am Big Lake Youth Camp gemacht. Sehr hikerfreundlich. Das Jugendcamp bietet in den Sommermonaten jede Woche ca. 200 Kindern im Alter von 9-12 Jahren einen einwöchigen Ferienaufenthalt mit vielen Workshops an. Im Winter werden die Cabins vermietet. Es wird von der Oregon Conference of Seventh-Days Adventists organisiert und getragen. Da der PCT quasi daran vorbeiführt, sind Hiker willkommen und können in der großen Lounge einfach mitessen, ob Frühstück, Lunch oder Dinner oder alle drei Mahlzeiten. Es gibt auch ein eigenes Gebäude für Hiker, in dem man Duschen, Wäsche waschen, Geräte laden und sich Aufhalten kann. Außerdem gibt es zwei üppige Hikerboxen, aus denen wir einiges resupplyen konnten. Ein Bereich ist auch zum Campen für Hiker ausgewiesen. Wer will, schmeißt ein paar Dollars als Donation ein. Beim Queuing Up fürs Essen hat sich uns die 19jährige Kayanna als PCT-Mama vorgestellt. Wir könnten mit allen Belangen zu ihr kommen. Später haben wir sie noch in Sachen Theater in Deutschland informiert, da sie sich sehr dafür interessierte. Auch ein paar deutsche Sätze wollte sie lernen. Unter anderem war dabei: "Ich bin blau." 😁, was sich durch den blauen Pin, den wir bei Stuttgart in die Weltkarte steckten, ergab. Die Mac(aroni) & Cheese mit Erbsen und Salat und Brownie als Nachtisch haben wir draußen am Tisch mit Les, dem Manager, und seiner Familie gegessen. Auch hier bestehen Bande nach Deutschland und Sophie, eine der Töchter, ist nach einem deutschen Familienmitglied genannt. Dann ein Interview mit Russ gemacht, der im Youth Camp für alle Gebäude zuständig ist und schon so lange dabei ist, dass er "das Einrichten" für die Hiker mitgestaltet hat. Am Nachmittag dort Kolohe, Skipper, Salty Dog und Chad wiedergetroffen. Haben von dort versucht, da es Netz gab, einen Trailangel zu erreichen, um uns zwei Stunden später am Highway 20 abzuholen. Einigen auf Band gesprochen. Die letzten 7,5 km von Moskitos verfolgt durch den Wald gerannt, in der Hoffnung, dass ein Trailangel uns am Highway abholen würde. Und tatsächlich, einige Minuten nachdem wir dort angekommen waren, meldete sich Jam, der uns mitteilte, dass er gleich da sein würde. Wahnsinn! Am Abend des Independence Day holte er uns mit seinem Auto ab und fuhr uns ins 70 km (!) entfernte Bend, wo wir im Three Sisters Inn & Suites unterkamen. Kurz eingerichtet und geduscht und von unserem "Balkon" eine tolle Sicht auf das grosse Feuerwerk zum Independence Day gehabt (22 Uhr). Währenddessen unsere Zimmernachbarn Rorie und Michael kennengelernt, die uns gleich ein Glas Pinot Grigio anboten. Wie schön! Wir hatten vor dem Feuerwerk nichts mehr besorgen können da uns das Duschen wichtiger war. Gemeinsam haben wir das Feuerwerk angeschaut und uns prächtig unterhalten. Michael hat in den 70er Jahren in Göttingen Medizin/Chemie/Deutsch studiert und spricht noch perfekt Deutsch! Auch die Bedeutung des Independence Day war ein Thema. Michael war Arzt an einem Family Medical Center, lehrte an der Berkeley-University und wechselte dann an eine Highschool für Kinder indianischer Abstammung nach Montana. Rorie und Michael sind aus Richtung San Francisco auf dem Weg nach Idaho, um dort Urlaub zu machen (Fahrrad fahren im Glacier National Park) und haben in Bend einen Stopp eingelegt. Wollen danach weiter nach Montana, wo Michael sich noch mit ehemaligen Schülern treffen möchte.
Nach dem Feuerwerk Pizza gegessen und totmüde eingeschlafen.
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