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104) 26.-30. Juli: White Pass

26.-30. Juli, Tag 118-122

PCT-km: 3694, gelaufen: 1978

 

Vom letzten Streckenabschnitt (bis Trout Lake) gibt es noch nachträglich wichtige Dinge zu berichten:

Die Moskitos sind zurück! Nachdem wir in den letzten beiden Wochen in Oregon ziemlich verschont geblieben waren und schon dachten, diese Plagegeister hinter uns gelassen zu haben, tauchten sie bereits am zweiten Tag nach Cascade Locks wieder massiv auf und machten uns das Hiken schwer. Wir hoffen, dass sie irgendwann auf dem weiteren Weg nach Kanada wieder verschwinden.

 

An dieser Stelle sind nochmals ein paar Worte zu den Moskitos fällig, um das Ausmaß der Plage deutlich zu machen: Sabine hatte wegen der unzähligen juckenden Stiche direkt nach Trout Lake eine schlimme, fast schlaflose Nacht. Wenn der Körper nach dem Hiken, Zeltaufbau, Kleider umziehen, Kochen und Essen im warmen Schlafsack zur Ruhe kommt, spürt man die Stiche und geht das Jucken los. Sie hat erst eine, dann zwei, dann noch eine dritte Cetirizin-Tablette (Antihistamin) genommen, max. zwei am Tag werden empfohlen. Wegen der Wärme tagsüber und der Anstrengung bergauf kann man auch nicht die ganze Zeit in langen Hosen und Langarmshirts gehen (durch die dünne Leggings wird durchgestochen), man schwitzt sich sonst zu Tode und der Schweiß ist zudem anziehend. Am Schlimmsten ist es aber in den Pausen, wenn die Moskitos nur so über einen herfallen, weil man nicht mehr in Bewegung ist. Dann wirft man sich die Jacken über und hofft auf etwas Ruhe. Manchmal hat man Glück und Wind = weniger Moskitos oder einen aus anderen, nicht erfindlichen Gründen moskitofreien Platz.

Für die Abwehr beim Laufen mussten bisher diverse Sprays und Mittel herhalten, vom "Naturspray" Eukalyptus-Lemon über Minz- und Lavendelöl bis hin zu Sprays mit dem Wirkstoff DEET in unterschiedlichen Konzentrationen (25, 40, 100 Prozent). DEET 100 hinterlässt einen solch ekligen Film auf der Haut, dass wir wieder auf 40 zurück gegangen sind, dieses glücklicherweise in der Hikerbox im Village Inn in White Pass gefunden haben. Und natürlich das Moskitonetz für den Kopf. Sabine wird sonst mit Vorliebe in die Ohrläppchen, am Kieferknochen, auf die Stirn - und neu - auch in die Backen gestochen. Doch auch das Netz erträgt man nicht ständig überm Kopf.

Hier in Washington kommen kleine schwarze beißende Mücken dazu, die auf Sabines Haut "schöne", große rote, juckende Flecken hinterlassen. Dafür gibt es dann eine Palette von After-Bite- Mitteln, darunter auch wieder Minzbalm und eben für die harten Fälle die Tabletten. Auch Olli sprüht sich inzwischen ein, weil das Umsurrt-Werden einfach nur noch nervt, hat aber Glück, dass er nicht so oft gestochen wird und dass eventuelle Stiche auch nicht solche extremen Auswirkungen haben wie bei Sabine. Abends achten wir penibel darauf, dass kein Stechvieh ins Zelt kommt, essen oft im Zelt. Das muss man wollen ...

 

Jenseits der Moskitos sind natürlich immer wieder unsere Begegnungen auf dem Trail Thema. In zwei kleinen Trailregistern zwischen Cascade Locks und Trout Lake fanden wir Einträge von Martin "Jukebox" aus Bonn und zwar nur von Martin!! Er war ja mit Oilking, Rabbit Rabbit, Mockingjay (die beiden letzteren aus Belgien), Lawrence of Cascadia und Seashells unterwegs gewesen und nach dem Unfall von Mockingjay in der Sierra haben er, Oilking, Lawrence und Seashells die Sierra verlassen (nicht ohne einen Besuch im Krankenhaus), sind nach Seattle geflippt und wollten erst einmal southbound gehen. Wir hatten uns schon Tage lang gefragt, wann wir die Gruppe wohl kreuzen würden.

Rabbit Rabbit und Mockingjay wollten nach der Erholungsphase von Mockingjay weitermachen. Dass beide dann doch aufgehört hatten, haben wir von Papa (hatten ihn das letzte Mal in Kalifornien in Agua Dulce gesehen) in Cascade Locks erfahren. Sie waren nach der Erholungsphase von Mockingjay nach Snowqualmie Pass, Washington, geflippt und wollten von dort southbound einen Wiedereinstieg in den PCT starten. Doch Schnee und Moskitos haben sie abbrechen lassen, sie sind jetzt wieder in Belgien. Doch wo waren Oilking, Seashells und Lawrence?

 

Sabine schrieb uns unter Martin "Jukebox" ins kleine Notebüchlein, das an einer Wilderness Tafel hing, ein. Wie schade, wir hatten ihn um einen Tag auf dem Trail verpasst bzw. saß er zur selben Zeit in Cascade Locks wie wir, er in der Thunder Island Brewery beim Hiker-Freibier und wir beim Hiker-Freibier im Ale House, bevor wir über die Bridge of the Gods northbound aushikten. Das nennt man Pech. Ach ja, und Seashells, Lawrence und Oilking - Oilking hatte genug, ist zurück nach Deutschland, der Trail hatte sich am Ende für ihn nur noch wie Arbeit angefühlt, Seashells und Lawrence haben ihren weiteren Honeymoon in Washington verbracht und wollten in Oregon wieder zu Martin stoßen. Hat sich alles hinterher über ein paar E-Mails mit Martin herausgestellt, als wir unterwegs mal Netz hatten. Er will so lange laufen, wie es sein Zeitfenster hergibt, seine Lust war nach einigen Tiefs in Washington zurück gekehrt. Vielleicht sehen wir ihn ja in der Sierra wieder, wenn wir diese nach dem Erreichen des Terminus in Kanada nachholen.

 

Apropos Wiedersehen: Kurz vorm Verlassen des Ale House schneiten Jonas (Herbal Witch) und Andi (El Problematico) rein, die wir zuletzt im Shelter Cove Resort gesehen hatten. Sie hatten den Sisters-Teil in Oregon ausgelassen und waren gleich von Bend aus weitergelaufen und bis Trout Lake gekommen. Von dort haben sie sich wieder nach Cascade Locks fahren lassen, weil es hier mehr Möglichkeiten für Essen gab und das Essen besser sei. Es ist Andis letzte Station, dann kehrt er nach 2,5 Monaten planmäßig nach Deutschland zurück. Jonas läuft weiter. 

 

Jetzt zum direkt zurück liegenden Abschnitt, der uns gestern nach White Pass führte, eine Ansammlung einiger Gebäude am Highway 12, darunter eine Lodge mit Pool und eine Tankstelle mit Shop und Mini-(Fastfood)Restaurant. Im Winter ist hier ordentlich was los, da sich das Skigebiet direkt oberhalb der Straße befindet. Haben ein Zimmer im Village Inn genommen, da wir dringend über Nacht alle Geräte aufladen mussten, hatten in den letzten Tagen öfters mal keine geladenen Akkus für die Kameras, da der Weg sehr viel durch Wälder führte und die Sonne unsere an den Solarpanels angeschlossenen Akkus nur mäßig und langsam auflud. Außerdem wollten wir ein Bett und eine gute Dusche, Wäsche machen, einkaufen und unsere Ausrüstung etwas putzen. Wäsche und Einkaufen ging nur im Shop-Restaurant und das hat um 18 Uhr gerade zugemacht, als wir einliefen. Nicht einmal zwei Biere haben wir noch bekommen. Hatten versucht, vorher anzukommen, aber die Aufstiege verlangten Pausen und der lange Abstieg zog sich ewig hin, begleitet von nervenden Moskitos.

Doch Glück im Unglück, Nat, der Mann von Elise, der netten Managerin vom Village Inn, war Bierbrauer und hatte gegen eine kleine Spende diverse Biere für uns, die er selbst u.a. in der neuen Brauerei im nahegelegenen Packwood braut. Zudem hatte Elise eine "Hikerbox", die sich sehen lassen konnte, mehrere Regale ... Wir konnten hier schon sehr viel Essen resupplyen, samt DEET 40. Ein intensives Interwiew mit den beiden folgte, da Elise den PCT 2013 gehikt war. Auch ihre sieben Monate alte Tochter Fern (Farn) durfte ins Bild. Mit einem Body mit dem Aufdruck: "Born to move Mountains" konnte das auch gar nicht anders sein. Warum es das Paar hierher verschlagen hat und Elise den PCT ohne Nat hikte, erfahrt ihr dann in unserem Film ... Nach einem Bad im warmen Pool, weiterem Bier und Nachos und Crackern aus Elises Regalen, Blog Schreiben, Fotos Sichten, Kommunikation mit Familie und Freunden und Sabines neuer Leidenschaft im TV: Die Jimmy Fallon Tonight Show haben wir wunderbar geschlafen.

 

Highlight der Etappe war definitiv die Goat Rocks Wilderness, ein Gebiet auf dem Hauptkamm des Kaskadengebirges (südlich des Highway 12), von dem aus man einen fantastischen Blick auf die Bergwelt Washingtons werfen kann: Mount Adams, Mount St. Helens und später Mount Rainier. Hier haben wir auch den Old Goat Club, Brent (Tow) und Doug (Old Goat), wieder getroffen. Brent hat jetzt den Trailnamen Scout.

Er hat uns inzwischen den Link zu seinem YouTube-Video mit uns geschickt: 

https://www.youtube.com/watch?v=_i7MRkYB8v4

Bei ca. 4'15 min kommen wir vor. Der Clip lohnt sich aber auch sonst, Brent ist genauso ein Pilzfreund wie Sabine und hat wohl jeden, der ihm in den Weg kam fotografiert 😅

 

Apropos Washington: Das Laufen in Washington ist sehr anstrengend, da es extrem auf und ab geht! Auf- und Abstiege über viele Höhenmeter wechseln sich ab. Geraden gibt's kaum. Cascade Locks war z.B. der tiefstgelegene Punkt des PCTs zwischen Mexiko und Kanada (51 m). Keine 10 Tage später passieren wir die Goat Rocks auf ca. 2300 m und haben einen unglaublichen Blick auf den Mount Rainier, den höchsten Berg Washingtons mit 4392 m.

Gestern Abend konnten wir auf dem Kamm den Sonnenuntergang erleben, haben dort spontan auf 2050 m übernachtet (wollten eigentlich noch 2 km vom Berg runter, trotz Dunkelheit) und hatten am Morgen einen wunderschönen Sonnenaufgang. Sind super froh, dass wir dafür obengeblieben sind. Die Tentsite war zwar etwas ungeschützt in exponierter Lage und direkt oberhalb eines Schneefeldes aber es war windstill und kein Regen oder Sturm zu erwarten.

 

Die nächste Etappe führt uns nach ca. 150 km nach Snowqualmie Pass, ebenfalls ein Skigebiet. Werden versuchen in 6 Tagen dort zu sein und dann hört ihr wieder von uns. By the way: Vorgestern an einem Bach kam John, ein Section-Hiker, auf uns zu und sprach uns mit Namen an. Er kannte uns von unserem Blog - das war überwältigend. Jede Minute wert, auch wenn es dadurch manchmal stressig und spät wird - und großen Dank sei an dieser Stelle auch nochmals Gabi, unserer Übersetzerin, gesagt.