Sabine Willmann
Regisseurin, Autorin & Medienpädagogin
Motivation für die Reise
Die letzten drei Jahre waren so ereignisreich, dass ich kaum zum Nachdenken kam.
Zwischen selbständiger Arbeit als Filmemacherin und Dozentin und der Verteilung meiner Freizeit auf meine kranke Mutter und die eigene Familie ist mir mein ICH abhanden gekommen und ich fragte mich irgendwann, welche Ziele möchte ich überhaupt noch verfolgen. Da hatten wir schon über den PCT nachgedacht. 2017 starb meine Mutter und ich als eines von drei Kindern hielt ihr die Hand, als sie ihren letzten Atemzug tat. Das war eine tiefgreifende Erfahrung und der Schmerz über den Verlust meiner geliebten Mutter ist bis heute sehr groß.
Dass es mal eine Parallele zu Cheryl Strayeds Beweggründen für den PCT geben sollte, hätte ich nie gedacht. Den Film über ihr Leben haben wir 2015 im besten Open Air der Region (organisiert vom KinoKult e.V. in Ludwigsburg) zusammen mit unserer Tochter und einem ihrer engen Freunde gesehen. Da wurde unser Plan, den PCT zu laufen geboren. Der Filmabend unter sternenklarem Himmel und bei wohligen Temperaturen blieb unvergessen. Kaum 10 Monate später nahm sich der gute Freund unserer Tochter, dieser junge Mensch, das Leben. In dieser Zeit, 2016, baute meine Mutter schon stark ab. Dann schenkte mir mein Bruder die Biographie von Cheryl Strayed und ich wurde erneut in die Welt „da draußen“ katapultiert.
Die Erschütterungen und Verwerfungen der vergangene Jahre, die politische Situation in vielen Ländern und das fanatische Vorgehen gegen Menschen, die anders sind und einfach nur so bleiben möchten, wie sie sind, Gewalt gegen Homosexuelle, Gewalt gegen Frauen, Beschneidungen, Beschränkung von Freiheit durch Reiseverbote, nicht bestehendes Wahlrecht und Wahlmanipulationen, eingeschränktes Recht auf freie Meinungsäußerung u.v.a.m. im Namen eines übergeodneten Glaubens oder einer übergeordneten Idee, das „keine Zeit für Zeit“ haben und meine eigene Zerrissenheit, führen mich nun um so stärker auf den PCT. Nicht als Heilsweg, sondern zur Selbstbesinnung und als Weg ins Einfache, in die Reduktion, weg von der Gehirnwäsche durch unsere überzogene Konsumwelt. Nach jahrelangem Engagement in Gruppen, Vereinen und vor allem filmpolitisch in meinem Berufsverband Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) als Leitung der Region Südwest mit dem Anliegen, dem Dokumentarfilm die Wege zu ebnen, habe ich meine Ämter nun abgegeben. Und: Über Jahrzehnte war ich zur Hüterin von Familienschätzen geworden, wenn Familienmitglieder starben. Bevor man etwas wegwarf, kamen die Kisten erst einmal zu mir. Auch ich selbst sammle so einiges und es war Zeit, die Berge in der Wohnung, der Garage und den Kellern gegen Berge in der Natur zu tauschen. Ganz nach dem Ausspruch Beethovens: "Blicke in die schöne Natur und beruhige dein Gemüt."
(Porträtfoto von Stephan Haase)
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